Letalfaktoren beim Belgischen Schäferhund
07.09.2022 18:31

Insbesondere die Arbeitslinien des Belgischen Schäferhunds sind von mehreren Letalfaktoren betroffen.



Als Letalfaktor oder Letalfehler bezeichnet man ein Allel eines Genes, das in homozygoter Form tödlich wirkt, bevor der betroffene Hund geschlechtsreif ist. Die tödliche Wirkung eines Letalfaktors kann in verschiedenen Entwicklungsstadien auftreten. Schon während der Embryonalentwicklung kann der Embryo absterben.
Dominante Letalfaktoren sind Allele, die bereits in heterozygoter Form zum Tode führen. Aufgrund dieses Umstandes können sie sich nicht dauerhaft in einer Population halten, sondern entstehen sporadisch durch spontane Mutationen. Die Letalfaktoren in unser Rasse sind somit alle rezessiv.

Autosomal-rezessiv bedeutet, dass die Krankheit unabhängig vom Geschlecht vererbt wird und nur dann zum Ausbruch kommt, wenn das Erbgut des Hundes zwei gleiche Kopien eines bestimmten Gens aufweist. Ein Hund, der also nur Anlagenträger ist, erkrankt NICHT!



Bei einer Verpaarung von zwei Anlagenträgern sind theoretisch 25% der Nachkommen gesund, 50% der Nachkommen werden Träger und 25% der Nachkommen sind vom Letalfaktor betroffen. Durch Verpaarung eines gesunden Hundes und eines Trägers dieser Mutation werden theoretisch in einem Wurf 50% Träger und 50% gesunde Welpen sein. Gentests schaffen somit die Möglichkeit, dass man keine zwei Anlagenträger miteinander verpaart und somit keine Merkmalsträger (erkrankte Hunde) züchtet.

IN DEUTSCHLAND SIND LETALFAKTOREN BEI KLEINTIEREN WIE Z.B. HUNDEN, KATZEN, KANINCHEN UND VÖGELN IM TIERSCHUTZGESETZ § 11B MIT EINEM ZUCHTVERBOT BELEGT (QUALZUCHT)

Es ist also nicht nur ethisch nicht vertretbar zwei Träger zu verpaaren, sondern laut Tierschutzgesetz verboten.

Wie bekämpft der VDH erbliche Defekte in der Rassehundezucht?



Auch der Dachverband in Deutschland, dem unsere Rassezuchtvereine unterliegen, hat in der Zuchtordnung dem Umgang mit solchen Defekten geregelt.

Zitat
1.1 Verein für das Deutsche Hundewesen -VDH
Gemäß § 4 Zuchtmaßnahmen Nr. 1 (VDH-Zucht-Ordnung (Stand: 26.04.2015)) müssen sämtliche Zuchtmaßnahmen zum Ziel haben, erbliche Defekte durch geeignete Zuchtprogramme zu bekämpfen.



Alle vier Belgier-Vereine unterliegen dieser Zuchtordnung.

Zitat
Die Rassehunde-Zuchtvereine des VDH sind verpflichtet, häufig auftretende erbliche Defekte und Krankheiten zu bekämpfen…. Ein Beispiel für das „Ausschalten“ eines Gendefekts sind alle Erbkrankheiten mit rezessivem Erbgang. Bei diesem Erbgang erkranken die Hunde nur dann, wenn sie das entsprechende defekte Gen sowohl von ihrem Vater als auch von ihrer Mutter geerbt haben. Wenn hingegen nur ein Elternteil das defekte Gen vererbt, bleiben die Nachkommen gesund. Träger des Gendefekts können in diesen Fällen als Zuchthunde eingesetzt werden, wenn sie wichtig für die Zucht sind und ausschließlich mit Hunden verpaart werden, die diesen Gendefekt nicht aufweisen. Die Tilgung oder „Ausschaltung“ eines Gendefekts in einer Rasse erreicht ein Zuchtprogramm durch strenge Kriterien zur Zuchtzulassung und mit gezielten Verpaarungen von Zuchthunden. Die Zuchtvereine haben dafür zu sorgen, dass die entsprechenden Zuchtprogramme von ihren Züchtern befolgt werden.

https://www.vdh.de/presse/das-vdh-guetesiegel/



Ataxie – eine alte Geschichte



Die folgenden Zitate stammen aus einem Artikel von Volker Riedel, Zuchtrichter, Leistungsrichter und Körmeisterobamnn des DMC e.V., den er anlässlich des Wurfes „C-unter schwarzer Flagge“ im Jahr 2013 geschrieben hat. Er ist komplett auf der Website von Mareike zu finden.

Zitat
Vor ca. 30 Jahren, als ich meine ersten Gehversuche in Bezug auf die Malinoiszucht machte und zwangsläufig immer häufiger in Belgien landete, war einer der ersten Sätze die ich dort hörte:

Ein guter Malinoiszüchter hat entweder einen Fluss hinter dem Haus oder ein Gewehr im Zwinger.

Mein erster Malinois war Kolos de Deux Pottois, ein Sohn des G´Bibber. Züchter war Luc Vansteenbrugge, ein großer Kenner der Malinois Szene und ein visionärer Züchter. Ich war damals hoch interessiert und fuhr sehr oft zu Luc um zu hören, zu lernen und zu verstehen. Man war ja wirklich noch in den Kinderschuhen. Dort sah ich natürlich viele Würfe. Luc hatte immer so 5-8 Zuchthündinnen, verteilt auf Bauernhöfe, wobei sich die eigentliche Zwingeranlage bei seiner Mutter befand. Und da sah ich es zum ersten Mal: Welpen, ca. 5-6 Wochen alt, schwankend und mit unkoordinierten Gliedmaßen. Es war nicht der ganze 8er Wurf betroffen, sondern nur 3 Tiere. Habe da was versucht, meinte Luc, ganz eng gezogen, mal sehen. Da waren noch 2 andere Würfe, alle Tiere ohne jegliche Probleme. Am nächsten morgen, ich hatte im Hotel übernachtet, trafen wir uns bei Luc zum Frühstück. Danach gingen wir zu den Welpen. Im betroffenen Wurf fehlten die drei schwankenden Tiere, es waren noch 5 vorhanden – alle gesund. Ich schaute aus dem Fenster: Ja, da war ein Fluss! Muss man weg machen sagte Luc, wird nie besser, immer nur schlimmer. Niemals besser!!! Aus diesem Wurf wurden später zwei Hunde ganz überragend, im Sport und auch als Vererber. Diese Verluste hat Vansteenbrugge einfach in Kauf genommen, um den idealen Malinois im Sport zu züchten und eine/n durchschlagskräftigen Vererber/in zu bekommen. Er agierte vorwiegend als Züchter. Es war ja schon immer so, in der Malinoiszucht: Eng gezogene Hunde hatten eine höhere Durchsetzungskraft in der Vererbung (bei gewünschten und unerwünschten Eigenschaften) und auf diese Art wurde in Belgien schon 100 Jahre lang der Malinois gezüchtet. Dabei kam es natürlich auch zu diesen, damals nannte ich es so, Inzuchtdepressionen.



Diese „alte Geschichte“ verfolgt uns bis in die Neuzeit und wurde viele Jahre von Züchtern und auch namhaften VerbandsfunktionärInnen unter den Teppich gekehrt.

Erst durch Mareike (SDCA1) wurde das Thema 2012 öffentlich.

Zitat
Ich habe die Sache damals trotz massiver Anfeindungen, Anwaltsdrohungen etc. durchgekämpft, und heute kann jeder Züchter und Welpenkäufer die Informationen zur Cerebellären Ataxie beim Malinois im Internet abrufen. Niemand muss mehr die furchtbaren Wochen durchmachen, die ich damals mit meinen Welpen durchgemacht habe. Ich stelle allerdings fest, dass es eigentlich niemanden so wirklich interessiert. Ich dachte damals, dass sich bei Züchtern, Welpenkäufern und Verbänden etwas ändern würde, wenn schwarz auf weiß nachzulesen ist, auf welche Katastrophe die Malizucht zusteuert – aber in Wirklichkeit hat sich nur wenig verändert. Im Großen und Ganzen sind die Verpaarungen die gleichen wie eh und je. Das Dilemma ist, dass die wirklich guten Hunde aus den genetisch hoch belasteten Linien kommen, und nur wenige Züchter den züchterisch längeren und schwierigeren Weg über “frisches Blut” gehen wollen. Ich habe mich inzwischen vollständig aus Hundesport und -zucht zurückgezogen.

Mareike, 2013 „Malinois unter schwarzer Flagge“



Ihrem Beispiel sind mehrere Züchter in den Jahren danach gefolgt und dank ihnen allen gibt es jetzt bereits 4 Gentests. Wie sich herausgestellt hat, gibt es nämlich nicht nur ein Defektgen, welches zum Versterben von Welpen führt und Ataxie-Symptome hervorruft.

Außerdem scheint dies immer noch nicht das Ende der Fahnenstange zu sein. Aus der Studie der Universität Bern zu CACA ist zu entnehmen, dass noch 19 weitere ungeklärte Fälle von Welpen mit Ataxie gibt.

Leider werden nicht alle vier Tests von allen Züchtern genutzt. In manchen Ländern weiß man nicht mal um die Existenz dieser Gendefekte, Verbände tun es „als Züchterproblem“ ab, obwohl sie durch die VDH-Zuchtordnung verpflichtet wären, ihre Züchter zu kontrollieren

Solltet ihr als ZüchterIn in einem Wurf mit einem noch nicht erforschten Krankheitsbild konfrontiert werden, dann solltet ihr euch als verantwortungsvoller Züchter an die Universität Bern wenden. Wer Hemmungen hat, dort anzurufen, der kann sich den Kontakt gerne von uns vermitteln lassen!

Jedem Welpenkäufer sollte bewusst sein, dass er selbst beeinflussen kann, dass keine erkrankten Welpen mehr geboren werden:

KAUFT NICHT BEI ZÜCHTERN, DIE NICHT NACHWEISEN KÖNNEN, DASS MINDESTENS EIN ELTERNTEIL FREI AUF SDCA1, SDCA2, CJM UND CACA GETESTET WURDE!





Informationen zu diesem Artikel
Kommentare
Es wurden noch keine Kommentare erstellt

Der Captcha wurde falsch eingeben.

Sie haben zu viele Bilder in Ihrem Beitrag. Maximal dürfen Bilder verwendet werden.

Sie haben zu viele animierte Bilder in Ihrem Beitrag. Maximal dürfen animierte Bilder verwendet werden.

Ein in Ihrem Beitrag verwendetes Bild überschreitet die zulässige Breite, die vom Administrator des Forums festgelegt wurde. Die maximal erlaubte Breite sind Pixel.

Ein in Ihrem Beitrag verwendetes Bild überschreitet die zulässige Höhe, die vom Administrator des Forums festgelegt wurde. Die maximal erlaubte Höhe sind Pixel.

Der eingegebene Text ist zu lang (maximal 65.500 Zeichen).

Sie dürfen erst in Tagen Links zu externen Webseiten posten.

Sie dürfen erst nach Beiträgen Links zu externen Webseiten posten