Die Kokzidiose
11.09.2022 10:55

von Nina Helbing

Die Kokzidiose ist eine gastrointestinale parasitäre Infektion mit einhergehender Darmentzündung durch Kokzidien.
Studien haben gezeigt das fast jeder vierte Welpe, bzw vier von fünf Würfen betroffen sind, allerdings zeigen nicht alle betroffenen Tiere einen symptomatischen Verlauf.
Symptome treten meist im Alter von 2 Wochen auf.
Mischinfektionen mit Rund- und Spulwürmern sind ebenfalls möglich.

WAS SIND KOKZIDIEN?



Kokzidien sind einzellige Lebewesen, sogenannte Protozoen, ähnlich wie Giardien. Sie bohren sich in die Zellen der Darmwand ihrer Wirte und fressen deren Inhalt, so dass die Zellen absterben. Gleichzeitig wachsen die Kokzidien und vermehren sich ungeschlechtlich durch Spaltung. So entstehen aus einer Kokzidie sehr schnell hunderte und vernichten in kürzester Zeit die Darmschleimhaut.
Die vom Wirt ausgeschiedenen Oozysten sind durch ihre Hülle nahezu unangreifbar und Resistent gegen Reinigungs- bzw Desinfektionsmittel und Umwelteinflüsse.
Oozysten sind hochansteckend:
Kälte kann ihnen nichts anhaben und sie sind über mehrere Monate lebensfähig.
Erst Hitze über 55°C tötet die Oozysten.



INFEKTIONSWEGE



Eine Infektion erfolgt auf oralem Weg, indem der Vierbeiner Sporen (Oozysten) der Kokzidien über den Kot eines infizierten Artgenossen (z.B. Mutter) oder Kontakt mit kontaminierten Oberflächen (z.B. Pfützen) oder infizierter Nahrung (wie z.B. Mäuse) aufnimmt.
Kokzidien, bzw die Oozysten werden über den Kot infizierter Hunde ausgeschieden. Besonders Hunde mit herabgesetztem Immunsystem, oder Hunde größerer Bestände, wie z.B. von Züchtern, sind gefährdet.
Durch die Ausscheidung der infektiösen Oozysten, und deren großer Widerstandkraft sind Re-infektionen durch die Umgebung theoretisch jederzeit möglich.
Eine Infektion bedeutet nicht immer auch einen symptomatischen Verlauf.
Eine geringe Kokzidienbelastung wird sogar als „normal“ beschrieben.
(Kokzidiose ist mehr bekannt aus der Vogelhaltung, bei Kaninchen und in Massenbetrieben von Rindern und Schweinen.)

SYMPTOME



Kokzidien können Auslöser für schwerwiegende Verdauungsstörungen sein.
Die Symptome können mild oder sehr schwer ausgeprägt sein.

Zu den Symptomen zählen:
Bauchschmerzen (Krämpfe, jammern), Blähungen, Fieber, rezidivierende Durchfälle, Erbrechen, Appetitlosigkeit, reduzierte Futteraufnahme, Schlappheit
Schwere Verläufe können von Austrocknung, Blutarmut, verlangsamter Herzfrequenz oder Herzrasen begleitet sein und können unter Umständen zum Tod führen.
Unbehandelt stellt die Kokzidiose nicht nur für das betroffene Tier ein Problem dar, sondern auch für Tiere aus der Umgebung.
Für gesunde Menschen ist diese Art der Kokzidien keine Gefahr, ABER Menschen mit vermindertem Immunsystem können sich, als Fehlwirt, infizieren.

NACHWEIS VON KOKZIDIEN



Der Nachweis von Kokzidien erfolgt durch eine Kotuntersuchung, hier ist das Flotationsverfahren in der Regel ausreichend.
Bei einem asymptomatischen Verlauf werden nicht zwangsläufig Oozysten ausgeschieden, weshalb hier eine Sammelkotprobe von 3 Tagen empfohlen wird.
Es ist auch ein Antiköpertest möglich, dieser sagt aber nur aus ob der Hund bereits Kontakt zu Kokzidien hatte auch wenn er aktuell nicht an keinem Befall leidet.

THERAPIE



Zur Therapie stehen verschiedene Antibiotika zur Verfügung.
In der Regel greift man aber zu dem Antiparasitkum, Antiprotozoikum: „Toltrazuril“, bei Hunden Bekannt als „Procox“ bzw „Baycox „(Großtierhaltung).
Toltrazuril gleicht der Therapie eines Entwurmungsmittels, wie .z.b. Panacur bei Giardien. Es ist im allgemeinen sehr gut verträglich, es sind keine Nebenwirkungen beschrieben, und es wirkt weniger aggressiv auf die Darmflora als Antibiotika.
Bisher sind keine Resistenzen gegenüber Toltrazuril bekannt.

BEHANDLUNGSSCHEMA



Baycox wird in zwei Therapieschritten verabreicht.
5 Tage per oral, 14 Tage Pause, Wiederholung der Gabe an 5 aufeinanderfolgenden Tagen.
Abschließend ist nach zwei Wochen eine erneute Kotuntersuchung ratsam.
Es wird empfohlen die Therapie so lange fortzusetzen bis keine Kokzidien mehr nachweisbar sind.
Der Einsatz von Baycox kann auch prophylaktisch, wie bei einer Entwurmung erfolgen.
Beim Einsatz von Procox gilt zu beachten das es sich hierbei um ein Kombinationspräparat handelt. Es wirkt mit dem zweiten Wirkstoff „Emodepsid“ gleichzeitig gegen Rundwürmer und wird nur einmalig verabreicht.
Der Hersteller gibt an das der Einsatz bei Collieartigen Rassen oder möglichen Mischlingen nicht empfohlen wird (MDR1). Bei Baycox besteht diese Gefahr nicht weil es sich hier um den reinen Wirkstoff „Toltrazuril“ handelt.

HYGIENEMASSNAHMEN



Neben der Therapie mit Toltrazuril sind Hygienemaßnahmen in der Umgebung angeraten. Kot sollte stets sofort und in Beutel entsorgt werden. Tierställe sollten regelmäßig gereinigt werden.
Es gibt nur wenige Desinfektionsmittel die nachweislich gegen Kokzidien wirken, diese sind „Neopredisan“ und „Preventol“. Weiter sollten natürlich Futter- und Wassernäpfe täglich gereinigt werden.

SYMPTOMATISCHE THERAPIE



Im Akutfall ist neben der Therapie mit Toltrazuril eine symptomatische Medikation angeraten:
Fiebersenker, Sanierung der Darmflora, ggf. Mittel gegen Übelkeit etc.
Bei einem reinen Asymptomatischen Verlauf ist mit dem Tierarzt abzuwägen ob eine Therapie notwendig ist.

EMPFEHLUNG



Eine Münchner Studie hat ergeben das vier von fünf Würfen mit Kokzidien befallen sind und fast jeder vierte Welpe betroffen ist.
Auch wenn es Asymptomatische Verläufe gibt, und ein gewisser Grad von Kokzidien bei ausgewachsenen Hunden mit einem guten Immunsystem toleriert wird, stellt die mögliche Ausscheidung von Oozysten ein Problem für geschwächte Hunde und Welpen da.
Die Studie empfiehlt Würfe ab der dritten Woche, alle zwei Wochen, bis zur Abgabe gegen Kokzidien zu behandeln. Hierzu ist unbedingt Toltrazuril anzuwenden, herkömmliche Entwurmungen wirken nicht gegen Kokzidien.

Fallbeispiel:



Im ersten Fallbericht handelt es sich um einen zugekauften Welpen, „Terra“, aus fremder Zuchtstätte. Kurz vor dem Einzug teilte der Züchter mit das der komplette Wurf nach der ersten Impfung unter Durchfall, Appetitlosigkeit und Bauchweh litt.
Noch beim Züchter wurde auf Parvovirose und Giardien getestet, diese Tests fielen negativ aus. Nach ein paar Tagen ging es den Welpen wieder besser, der Appetit steigerte sich und der Durchfall war fast weg. Somit wurden die Welpen an ihre neuen Besitzer übergeben.


Am dritten Abend zeigte der Welpe plötzlich ein Rezidiv:
Mit wässrigem, farblosen Durchfall mit Blutbeimengungen und Schleim ging es los.
Das allgmeine Befinden des Welpen verschlechterte sich in kurzer Zeit. Die Schleimhäute wurden blass und pappig und der Welpe zeigte eine verlangsamte Herzfrequenz. Auf den Weg in die Klinik entwickelte der Welpe Fieber und erbrach sich mehrmals.
In der Klinik wurden zur Sicherheit ein Test auf Parvovirose und Giardien wiederholt (beide Tests fielen negativ aus), und es wurde ein großes Blutbild mit Organcheck gemacht.
Es wurde eine hochgradige Anämie festgestellt.
Im Röntgen lies sich eine hochgradige Aufgasung feststellen, zum Ausschluss eines Darmverschlusses wurde ein Ultraschall gemacht. Es konnte kein Verschluss bestätigt werden.
Eine Kotuntersuchung (Sammelkotprobe der letzten drei Tage) wurde eingeleitet.

Es wurde eine symptomatische Therapie gestartet:
Infusion, intravenöse Antibiotikatherapie, Fiebersenker etc.
Im weiteren Verlauf entwickelte die Hündin wieder eine verlangsamte Herzfrequenz und das Blutbild zeigte nicht die erwünschte Besserung.
Es wurde eine Bluttransfusion empfohlen und durchgeführt, diese brachte eine sofortige Besserung des Allgemeinbefindens.
Am darauffolgenden Tag wurde ein hochgradiger Befall von Oozysten in der Kotprobe festgestellt, alles weitere war ohne Befund.
Die Therapie wurde angepasst, das Antibiotika abgesetzt und Toltrazuril nach Behandlungsschema ergänzt.
Mit Gabe der ersten Dosierung hatte die Hündin keinen Durchfall mehr und ihr Allgemeinbefinden besserte sich stetig. Zum Wiederaufbau der Darmflora erhielt sie über mehrere Monate Darmkulturen. Folgeschäden sind keine zu erwarten und auch nicht eingetreten.

FALLBERICHT ZUM THEMA INFEKTIONSDRUCK



Die zugekaufte Hündin lebte im Haushalt mit anderen Hunden, unter anderem einer trächtigen Hündin. Die trächtige Hündin hatte sonst ein sehr gutes ausgereiftes Immunsystem und einen soliden Verdauungstrakt.
In den letzten Tagen der Trächtigkeit zeigte die Hündin immer mal wieder breiigen Kot, bei sonst aber gutem Allgemeinbefinden. Die Geburt der Welpen verlief komplikationslos. Zu Beginn der dritten Lebenswoche zeigten ein paar Welpen erste Symptome:
Schreien nach dem Fressen, harte, aufgeblähte Bäuche, rezidivierende Durchfälle und erbrechen.
Auch die Mutter hatte nun immer mal wieder Durchfall und wirkte appetitlos.
Um einer möglichen Ausbreitung von Oozysten vorzubeugen wurde sofort mit der Gabe von Toltrazuril begonnen und eine Kotprobe von Mutter und Welpen untersucht.
Der Verdacht eines Kokzidienbefalls wurde bestätigt. Mit Start der Behandlung waren Welpen und Mutter wieder Symptomlos. Es waren keine Nebenwirkungen zu beobachten.
In der weiteren Aufzucht wurde das Behandlungsschema durch Toltrazuril der herkömmlichen „Entwurmung“ ergänzt.
Unmittelbar vor dem Auszug der Welpen wurde eine abschließende Kotuntersuchung durchgeführt.


Quellen:

Dog´s Avenue
Wissenschaftliche Arbeit: Verhinderung und Bekämpfung der Kontaminierung der Umwelt mit Oozysten von Isospora spp.
(Apikomplexa, Coccidia);
Wirksamkeit und Verträglichkeit einer neuen kokzi- dioziden Suspension für Hunde und die Möglichkeit der Desinfektion.

Fragen aus dem Webinar





Zitat
Sollte nach einem Befall eine Darmaufbaukur gemacht werden?



Ja dies ist nach Magen-Darm Entzündungen immer zu empfehlen.
Hierzu eignen sich Sivomixx (hat die meisten Bakterienstämme) oder ProCanicare.

Zitat
Wäre es empfehlenswert die Zuchthündin vor der Belegung darauf untersuchen lassen, auch ohne Symptome?



Eine Untersuchung ist in jedem Fall Sinnvoll, weil hier auch andere Wurminfektionen ausgeschlossen werden können und eine geeignete Therapie in Betracht gezogen werden kann.

Zitat
Wie kam es zu der Anämie?



Durch den langen Befall der Kokzidien, und der Zerstörung der Zellen im Darm können Nährstoffe nicht mehr aufgenommen werden wie gewohnt, so kommt es zu Minderernährung, Abmagerung, Entwicklungsstörungen und Anämie.

Zitat
Die meisten Welpen werden sowieso prophylaktisch entwurmt ohne vorheriges Einschicken einer Kotprobe. Wenn das Mittel gegen Kokzidien nun prophylaktisch (!) dazu kommt, ist das nicht noch mehr Chemie in den jungen Hunden? Deren Nieren sowieso erst ab dem 4. Monat vollständig arbeiten?



Der Nutzen und das Risiko bleibt grundsätzlich mit dem Tierarzt zu besprechen.
Ein schwerer Verlauf einer Kokzidiose ist im Akutfall deutlich kritischer und Lebensbedrohlicher (siehe Beispiel der Anämie, ohne Bluttransfusion, die selbst auch nicht ohne Risiko ist, wäre der Welpe gestorben, und auch die Medikamente die zur Symptomatischen Therapie eingesetzt werden müssen verstoffwechselt werden), als die Gabe eines Antiparasitikum.
Letztlich bleibt das jedem selbst überlassen.

Zitat
Kann man die werdende Mutterhündin vorsorglich mit Toltrazuril in der Trächtigkeit behandeln?



Die Unbedenklichkeit des Arzneimittels bei trächtigen Hündinnen wurde nicht untersucht. Daher wird eine Anwendung bei trächtigen Hündinnen und während der ersten beiden Wochen der Laktation nicht empfohlen.



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