Hirnmissbildung beim Malinois
12.08.2022 13:49

von Astrid Hübner

Mit 8 Wochen ist Cuba bei ihrer Besitzerin eingezogen. Im Verlaufe des ersten Jahres sind die beiden auf quasi unlösbare Baustellen gestoßen.

Stubenrein war auch nach einem 3/4 Jahren ein Fremdwort, zur Ruhe kam die Hündin lange nur im Auto und Lernschwierigkeiten gab es in den meisten Übungen. Als Schlafen in der Nähe der Besitzerin dann langsam funktioniert hat, kamen währenddessen Aufschrecken und wildes Umsichbeißen dazu. Koordinativ ist sie ebenfalls sehr schwach und kann heute noch keine Treppen steigen.



Irgendwann haben dann die Zweifel überhandgenommen und Cuba wurde einem Neurologen vorgestellt.
Sofort hat er bemerkt, dass Cuba kein „normaler“ Hund ist und es wurde entschieden, ein MRT zu machen.
Leider hat sich rausgestellt, dass sich weder Groß-, noch Kleinhirn richtig entwickelt haben und sie deshalb diverse Defizite hat. Diese Missbildungen sind angeboren.

Es wurde Kontakt mit der Universität Bern aufgenommen und diese vermutet, dass diese Hirnanomalien wohl nicht durch einen bereits bekannten Gendefekt verursacht wurden. Cubas komplettes Genom wird nun sequenziert und danach wird ihr Erbgut mit ca. 1’000 Kontrollhunden (15 davon ebenfalls Belgische Schäferhunde) verglichen. Dabei wird sich zeigen, ob Cuba Varianten in Genen hat, die bei Tier oder Mensch bereits bekannt dafür sind, ähnliche Symptome und Veränderungen der Hirnstruktur hervorzurufen.
Die Erfolgschance, hier etwas zu finden, sind aber leider bei weitem nicht 100%.

Bericht des Radiologen



VORGESCHICHTE

Wesensauffällig seit Welpenalter
Ungeschickte Koordination
fällt Treppen hinunter
Hypermetrischer Gang
keine neurologischen Auffälligkeiten
Lernschwierigkeiten
Tief liegende Augen mit medialem Strabismus (Schielen)



RADIOLOGISCHE BEFUNDE

Es wurden folgende Sequenzen des Schädels erstellt: FLAIR dorsal und transversal, T2W FSE sagittal und transversal, T1W FSE transversal vor und nach Gadoliniumgabe und Fettsaturation, T2 W GRE transversal, DWI 1000b transversal inklusive ADC- und exponentiellem ADC-Mapping sowie 3D T1W SPGR dorsal nach Gadoliniumgabe und Fettsatruation.

Befunde:
Die Seitenventrikel sind beidseits in Richtung Parietailappen aufgeweitet, es fehlt das Hirngewebe beider Parietallappen auf einer Länge von 26 mm. Es betrifft vor allem den Gyrus postcruciatus bis zum Margo dorsalis sowie den Gyrus cinguli beidseits. Die zentralen Anteile des Corpus callosum, vor allem der Truncus corporis callosi fehlen, die Adhäsio intertahalamica ist jedoch im Querschnitt von normaler Form. Normal großer 3. Ventrikel, T1-hyperintense Zone zentral im Infundibularbereich der Hypophyse. Die verbleibenden Strukturen des Großhirnes sind ansonsten symmetrisch, die Definition von weißer und grauer Substanz erhalten. Unauffälliger Hirnstamm, Vierhügelplatte und Halsmark. Das Cerebellum ist im Querschnitt oval, leicht aufgeweitete Sulci zwischen den Foliae. Die Vermis ist in normaler Position. Der Gehörsapparat, die Kiefergelenke, die Speicheldrüsen und die Lymphknoten sind beidseits symmetrisch und in der Norm. Bilateral symmetrische Muskeln am Kopf. Keine relevante Kontrastmittelaufnahme in den zerebralen und extrakranialen Geweben. Unauffällige T2″w Sequenz und Diffusionsgewichtung.


Radiologische Diagnose

Bilateral symmetrische (beidseitig), ausgeprägte Porenzephalie parietal

(Der Terminus Porenzephalie beschreibt eine sehr seltene zystische Gehirnmissbildung, die als verbindungsschaffender Substanzdefekt zwischen Ventrikellumen und Subarachnoidalraum in der Großhirnhemisphäre (griechisch poros = Durchgang, kephale = Kopf) definiert wurde. Als klinische Symptome werden bei der Porenzephalie entsprechend bisheriger Fallbeschreibungen beim Hund häufig epileptische Anfälle beobachtet. Zudem können Ataxie, Hypermetrie, Schwäche und Nystagmus oder ein gesteigertes Aggressionspotenzial des betroffenen Hundes auftreten. Mitunter bleibt die Porenzephalie aber auch symptomlos.)

Anzeichen einer Meningoencephalocele parietal

(Enzephalozele (Synonym: Hernia cerebri, Hirnbruch, äußerer Hirnprolaps; englisch: encephalocele) bezeichnet eine Hemmungsfehlbildung mit fehlerhafter Gehirnanlage oder medianer Schädellücke (an Nasenwurzel, Stirn, Schädelbasis, Hinterkopf), durch die sich Hirnteile nach außen vorwölben, und zwar ohne Beteiligung der Hirnliquorräume (Kenenzephalozele) oder mit Hirnventrikelanteilen (entspricht auch Enzephalozystozele), häufig einschließlich eines Hirnhautsackes (Enzephalozystomeningozele). Das Wort ist zusammengesetzt aus altgriechisch ἐγκέφαλος enképhalos, deutsch ‚Gehirn‘ und der Endung -zele.)

ausgedehnte Schādelkalotte im Bereich der Fontanellen.

(Als Schädelkalotte (auch Hirnschale, Schädeldach und Schädeldecke; lateinisch Calvaria), kurz auch Kalotte, wird das knöcherne Dach des Schädels bezeichnet. Es ist aus platten Knochen (Ossa plana) aufgebaut, die durch bindegewebige Nähte (Suturen) miteinander verbunden sind.)

Partielle Aplasie des Corpus callosum

(Das Corpus callosum ist eine quer verlaufende Faserverbindung zwischen den beiden Großhirnhemisphären. Mit ca. 200 Millionen markhaltigen Nervenfasern bildet es den größten Teil des Kommissurensystems. Die Aufgabe des Corpus callosum besteht darin, Informationen von der einen Hemisphäre des Gehirns in die andere zu übermitteln. Da beide Hirnhälften zum Teil verschiedene Funktionen ausüben, werden durch den Informationsaustausch die Funktionen koordiniert. Aplasien gehören wie die Hypoplasien zu den so genannten Hemmungsmissbildungen. Wenn die Aplasie ein lebenswichtiges Organs betrifft, führt das in der Regel zum Absterben des Embryos bzw. Fetus, wenn es nicht doppelt angelegt ist. Mögliche Auslöser sind genetische Defekte, Infektionen oder teratogene Stoffe.)

Eine leichtgradige zerebelläre Hypoplasie ist ebenfalls möglich

Unter dem Begriff Hypoplasie versteht man eine Unterentwicklung des Organs, welches aber eine regelgerechte Architektur aufweist. Zerebelläre bedeutet, dass Kleinhirn betreffend.

Bemerkungen:
Die Befunde sind mit einer angeborenen Hirnmissbildung vereinbar. Dies mag Verhaltensänderungen erklären, Ataxie jedoch weniger. Hierfür sind eher zerebelläre Ursachen zu suchen. Im Weiteren wurde okzipital Liquor entnommen. Eine zusätzliche Entnahme von Blut zur genetischen Untersuchung auf zerebelläre Ataxie wurde durchgeführt.


Cubas Lebensfreude und Zufriedenheit sind trotz allem sehr ausgeprägt. Die beiden machen das beste aus der Situation und genießen die gemeinsame Zeit.



Quellen:
Fehlbildungen und frühkindliche Schädigungen des ZNS, Olav Jansen, Georg Thieme Verlag, 2007
https://flexikon.doccheck.com/de/Aplasie (abgerufen Juni 2021)
https://flexikon.doccheck.com/de/Corpus_callosum (abgerufen Juni 2021)
https://www.researchgate.net/publication...ndin_Einleitung (abgerufen Juni 2021)
https://de.wikipedia.org/wiki/Enzephalozele (abgerufen Juni 2021)

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