Osteochondrosis dissecans (OCD)
15.09.2022 09:07

von DR. MED. VET. SUE CHANDRARATNE

Eine häufig diagnostizierte Lahmheitsursache beim Hund ist die Osteochondrosis dissecans (OCD). Diese Erkrankung betrifft vor allem schnell wachsende mittelgroße bis große Junghunde. Die Vorgeschichte mit einem Krankheitsbeginn ab dem 5. Monat und eine Lahmheitsuntersuchung ergibt eine Verdachtsdiagnose auf OCD. Die Diagnose wird dann mittels Bildgebung (meist Röntgen) des entsprechenden Gelenkes gesichert.

URSACHEN



Da die Erkrankung bei einigen Rassen deutlich vermehrt auftreten (Dt. Dogge, Dt. Schäferhund, Rottweiler, Boxer, Labrador/Golden Retriever) kann von einer genetischen Veranlagung ausgegangen werden.

Die Entstehung der OCD ist jedoch nicht vollständig geklärt. Sicher ist nur, dass es sich um eine multifaktorielle Erkrankung handelt.

Ein hoher Energiehaushalt des Futters, insbesondere unausgewogene Gehalte an Kalzium, Phosphat und Vitamin D kann zusätzlich die OCD fördern. Aber auch Verletzungen sowie hormonelle Imbalanzen (z.B. Schilddrüsenhormone) oder Durchblutungsstörungen können einen Einfluss auf die Entstehung einer OCD haben.

Aufgrund der höheren Wachstumsintensität und längeren Wachstumsphase sind Rüden deutlich häufiger betroffen.

ENTSTEHUNG DER OCD



Die OCD ist eine erblich bedingte Störung der indirekten Verknöcherung (über die Zwischenstufe Knorpel) des Gelenkknorpels während der Wachstumsphase. Ursache hierfür ist eine Knorpelwachstumsstörung, bei der es zur Ablösung eines Knorpelstücks samt darunterliegendem Knochengewebe kommt. Häufig bleibt diese Knorpel-/Knochenschuppe über einen dünnen gelegenen Steg mit dem umliegenden Gelenkknorpel verbunden. Das Knochenstück kann sich jedoch auch zusammen mit dem darüber liegenden Knorpel aus der Gelenkfläche lösen und bildet einen Fremdkörper in der Gelenkkapsel („Gelenkmaus“). Freie Stücke im Gelenk führen regemäßig zu Schmerzen und damit zur Lahmheit.

BETROFFENE GELENKE



Am häufigsten ist das Schultergelenk betroffen, aber auch Ellenbogen-, Knie- und Sprunggelenk können betroffen sein. In seltenen Fällen kann OCD auch an Gelenken der Wirbelsäule diagnostiziert werden.

Die OCD fällt unter den Begriff der ED (Ellenbogendisplasie) unter der drei verschiedene Erkrankungen (isolierter Pro¬cessus anconaeus, IPA; fragmentierter Processus corono¬ideus medialis ulnae, FCP; Osteochondrosis dissecans des Ellenbogengelenkes, OCD) zusammengefasst werden.

SYMPTOME



Obwohl die Hunde meist einseitige Lahmheiten zeigen, tritt die OCD häufig beidseits auf. Die Erkrankung wird typischerweise im Durchschnitt 1-4 Monate nach dem vermutlichen Auftreten der OCD diagnostiziert. Die OCD im Ellenbogengelenk wird aufgrund des akuten Auftretens und der guten Erkennbarkeit der Krankheit besonders früh diagnostiziert. Die Lahmheit äußert sich meist in einer deutlichen Schrittverkürzung und kann besonders nach Ruhe oder nach Belastung festgestellt werden. Besonders bei der Erkrankung beidseits ist meist nur eine Steifheit nach dem Liegen erkennbar. In der Regel liegt eine vermehrte Gelenkfüllung vor und die Beugung/Streckung des Gelenks ist schmerzhaft.

DIAGNOSE UND THERAPIE



Durch eine Röntgenaufnahme des entsprechenden Gelenks erfolgt die Diagnosesicherung. Aufgrund des hohen Auftretens auf beiden Seiten wird empfohlen immer beide Gliedmaßen zu röntgen. Falls unklare Befunde bestehen, ist eine endgültige Klärung durch die CT-Diagnostik zu empfehlen.

Schultergelenk


Defekt am Oberarmkopf


Defekt am Oberarmkopf und Gelenkmaus https://dz-giessen.de/portfolio/ocd-schu...nk-humeruskopf/

Eine Operation mit Entfernung der Knochenschuppe oder Gelenkmaus ist zwingend notwendig. Eine Arthrosebildung im betroffenen Gelenk ist durch den zurückbleibenden Defekt meist nicht zu verhindern.

KRANKHEITSBILDER MIT ÄHNLICHEN SYMPTOMEN (DIFFERENTIALDIAGNOSEN):



Es kommen alle Jungtierkrankheiten mit Lahmheiten wie Knochenhautentzündung, fragmentierter Processus coronoideus medialis, isolierter Processus anconaeus, Hüftgelenksdysplasie, Kreuzbandruptur, Schädigung des Meniskus sowie Luxationen und Frakturen in Betracht.

KNOCHENHAUTENTZÜNDUNG (PANOSTITIS) ALS DIFFERENTIALDIAGNOSE

Die Knochenhautentzündung ist eine Erkrankung der langen Röhrenknochen bei jungen großwüchsigen Hunden. Die Ursache ist noch nicht vollständig geklärt. Der Deutsche Schäferhund ist am häufigsten betroffen, daher gilt eine genetische Veranlagung als gesichert. Es wird vermutet, dass das Krankheitsbild durch ein chronisches Stauungsödem im Markraum des Knochens während der Wachstumsphase infolge der Krümmung des Knochens und einer venöser Abflussstörung entsteht. Auch eine Durchblutungsstörung des Knochenmarks durch eine vermehrte Eiweißfütterung (Ablagerung von Eiweiß und Ödembildung im Knochen führt zur Erhöhung des intraossären Drucks und zur Kompression der Blutgefäße im Markraum) wird als Krankheitsursache angesehen. Als weitere Ursachen werden Stoffwechselstörungen, Allergien, Parasiten, Autoimmunreaktionen nach Virusinfektionen sowie körperliche Überlastung diskutiert. Männliche Tiere sind offenbar häufiger betroffen als Hündinnen.

Klinische Symptome beginnen mit einer akuten Lahmheit einer oder auch mehrere Gliedmaßen gleichzeitig (gering- bis hochgradig). Das Durchschnittsalter der betroffenen Tiere liegt zwischen 5 und 12 Monaten. Zudem treten Entzündungszeichen wie Fieber und Appetitlosigkeit auf. Die Diagnose wird durch eine starke Schmerzreaktionen bei Druck auf den betroffenen Röhrenknochen gestellt. Im Röntgenbild zeigen sich deutliche, wolkige Verschattungen.


https://www.researchgate.net/publication/290049052_Selected_orthopaedic_diseases_affecting_the_growing_cat_and_dog

Die symptomatische Therapie erfolgt mit schmerzstillenden und entzündungshemmenden Medikamenten. Außerdem sollte die Ernährung angepasst und das Tier schonend bewegt werden.

Fallbeispiel aus der Malinois Zucht:



Bei einem Malinois Wurf traten bei vier Wurfgeschwistern bei ihren jeweiligen Endbesitzern im Alter von ca. 6 – 9 Monaten Lahmheiten (z.T. nur einseitig) auf. Bei zwei Hunden wurde vom Tierarzt nach auftretenden Symptomen die Diagnose Knochenhautentzündung ausgesprochen (z.T. nach Röntgen des langen Röhrenknochens) und mit Schmerzmittel und Ruhigstellung therapiert. Nachdem die Lahmheitssymptome nach kurzer Verbesserung wieder auftraten, wurden alle vier Hunde im Alter von 9-14 Monaten geröntgt und es konnten bei drei Hunden eine OCD beidseits und bei einem Hund eine OCD einseitig im Schultergelenk diagnostiziert werden. Alle vier Hunde mussten operiert werden. Ein Einsatz im Sport wird aus tierärztlicher Sicht nach der OP nicht empfohlen, da sich durch den fehlenden Knorpel am Oberarmknochen eine starke Arthrose bilden wird (arthrotische Veränderungen können aufgrund der Porosität abbrechen). Züchter und Deckrüdenbesitzer haben nach der Diagnosestellung die Mutterhündin und den Deckrüden röntgen lassen (Schultergelenk). Dabei konnte bei beiden Tieren keine ODC im Schultergelenk festgestellt werden. An dieser Stelle möchten wir uns bei den Betroffenen für Ihren offenen Umgang mit der Erkrankung und die Unterstützung bedanken.

ERFAHRUNGEN:



Bei Lahmheiten (z.B. Verdacht auf Knochenhautentzündung) im Alter von 6-12 Monaten sollten auch umliegende Gelenke (z.B. Schultergelenk) mitgeröngt werden, um eine mögliche OCD frühzeitig zu erkennen

Relevanz beim Belgischen Schäferhund



Da es keine Röntgenpflicht auf OCD beim Belgischen Schäferhund gibt, ist die Datenlage dünn.

Wir haben den Wurf im Fallbeispiel der Uni Bern vorgestellt. Die Universität wird sich diesen Wurf anschauen. Dazu werden von beiden Elternteilen und allen Welpen aus diesem Wurf Blutproben benötigt sowie die Röntgenbilder und die Operationsberichte. Vielen Dank an alle Besitzer der Hunde, die sich bereit erklärt haben mitzuwirken!




Quellen:

https://www.thieme-connect.de/products/e...5/s-0042-120601
https://elib.tiho-hannover.de/dissertations/kroneo_2002
https://www.schaeferhunde.de/mein-sv/inf...d/rasse-ranking
http://www.grsk.org/informationen-fuer-t...b4Iojz-wnigbGCc
https://medlexi.de/Enchondrale_Ossifikation
https://www.kinderkrankenhaus.net/unsere...-dissecans.html
https://tiermedizin.com/panostitis/
https://wamiz.de/hund/ratgeber/19284/pan...kung-bei-hunden

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