Degenerative Myelopathie (DM)
16.08.2022 09:12

von Astrid Hübner

Degenerative Myelopathie (DM) ist eine progressive neurodegenerative Erkrankung mit spätem Beginn ungefähr ab dem 8. Lebensjahr. Gegenwärtig sind 124 Rassen bekannt, bei welchen sich die degenerative Myelopathie entwickeln kann (Zeng et al. 2014). Die weitverbreitete Mutation zwischen den Rassen weist darauf hin, dass die Erkrankung ihren Ursprung in Zeiten vor der Rassenentstehung hat.

SYMPTOME UND VERLAUF



Bei den betroffenen Hunden kommt es zuerst zum fortschreitenden schmerzfreien Erschlaffen der Beckengliedmaße, unkoordinierter Bewegung, danach folgt Muskelatrophie, Ataxie, Inkontinenz und alles endet mit kompletter Paralyse der Beckengliedmaße. Die Anzeichen, die diese Erkrankung begleiten, sind so ernsthaft, dass die betroffenen Hunde innerhalb von 3 bis 5 Jahren nach Erscheinung der ersten Anzeichen der Krankheit, sterben. In der Regel wird jedoch der Hund ungefähr ein Jahr nach Auftreten der ersten Anzeichen euthanasiert. Ohne Euthanasie breitet sich die Krankheit im weiteren Verlauf auf die Vordergliedmaße aus, die Atemmuskulatur, die Rachen und Schlund Muskulatur wird beeinträchtigt, so dass Atem- und Schluckbeschwerden eintreten.





DIAGNOSE



Die Diagnose einer DM geschieht einerseits anhand der oben beschriebenen Symptome und der Vorgeschichte, andererseits mittels einer neurologischen Untersuchung und bildgebender Verfahren wie MRT. Dadurch können andere Erkrankungen des Rückenmarks ausgeschlossen werden, die zu Einengungen des Rückenmarks im Wirbelkanal führen (Bandscheibenvorfall, Rückenmarksinfarkt, Spondylose, Cauda equina Kompression, Tumore etc.). Ebenfalls typisch für DM ist die Schmerzlosigkeit. DM kann aber zusammen mit einer der oben genannten schmerzhaften Erkrankungen auftreten und wird dann möglicherweise übersehen. Die DM wird also im Ausschlussverfahren diagnostiziert. Leider lässt sich die eindeutige Diagnose erst nach dem Tod der Tiere durch die Untersuchung von Rückenmarkschnitten unter dem Mikroskop stellen, wobei der Abbau der langen Nervenfasern offensichtlich wird.

THERAPIE



Bisher ist keine erfolgversprechende Medikation bekannt. Die Möglichkeiten einer Therapie für DM Patienten sind damit sehr begrenzt und es existiert keine ursächliche Behandlung der Krankheit. Klinische Studien belegen die Bedeutung der Physiotherapie. Bei täglicher, intensiver Physiotherapie kann eine signifikant verlängerte Überlebenszeit der DM Patienten beobachtet werden.

URSACHE DER KRANKHEIT



Die DM ist eine erbliche Nervenerkrankung. Die Veranlagung wird vererbt und folgt dabei einem rezessiven, nicht geschlechtsgekoppelten Muster.
Nicht alle Tiere, welche die Veranlagung reinerbig tragen, erkranken, sie haben aber ein hohes Erkrankungsrisiko. Man nennt dieses „unvollständige Penetranz“. Ob diejenigen Hunde, die trotz Reinerbigkeit keine Symptome zeigen, auch noch erkranken würden, wenn sie alt genug würden, weis man nicht. Für die Zucht ist bedeutsam, dass Träger der Veranlagung diese an ihre Nachkommen weitergeben.

GENTEST



In der gefundenen Region auf Chromosom 31 liegen drei Gene, von denen eines SOD1 heisst, welches beim Menschen an der Entstehung von ALS beteiligt ist.
ALS führt beim Menschen zu ähnlichen Symptomen wie DM beim Hund. Im Zusammenhang mit der Erforschung der Ursache der ALS beim Menschen konnten bereits 160 Mutationen des SOD1-Gens erkannt werden.

Im Zusammenhang mit der Erforschung der Ursachen für DM beim Hund wurden bisher zwei Mutationen des SOD1-Gens (SOD1:c.118G>A und SOD1:c.52A>T) identifiziert (Awano et al. 2009). Die Mutation SOD1:c.118G>A tauscht eine einzige Base Guanin (G) gegen Adenin (A) aus und die Mutation SOD1:c.52A>T ein Adenin (A) gegen ein Thyrosin (T). Wenn das SOD1 seine Funktion verliert und weitere Radikalfänger (z.B. SOD2) versagen, ist das Myelin den Angriffen von Radikalen schutzlos ausgesetzt. Es wird daher zersetzt (im Rückenmark zuerst im unteren Ende der Brustwirbelsäule und am Anfang der Lendenwirbelsäule). Durch die fehlende Isolierung gehen die Nervenfasern selbst zugrunde.

SOD1:c.52A>T wurde bisher ausschließlich beim Berner Sennenhund nachgewiesen.

SOD1:c.118G>A wurde bei 124 Rassen nachgewiesen.

Der Gentest identifiziert Hunde ohne die Mutation (N/N), Hund die Anlageträger sind (N/DM) und Hund die reinerbig für die Mutation (DM/DM) sind. Diese haben das höchste Riskio an einer DM zu erkranken. Allerdings sagt der Test nur etwas über das Risiko aus und nicht über den tatsächlich manifesten Ausbruch der Krankheit.
Der Gentset reicht daher keinesfalls aus, um DM zu diagnostizieren, sondern dient vor allem der Zuchtselektion. Ein Hund der negativ auf die SOD1 Mutation getestet wurde, kann an dieser Form der DM nicht erkranken. Allerdings ist der Test sehr spezifisch für eine bestimmte Mutation und kann nicht alle möglichen Fehler in dem Gen feststellen, die sehr wohl vorliegen können. Der Test kann also keine DM ausschließen. (s.o. beim Menschen wurden bisher 160 Mutationen des SOD1-Gens gefunden.)


Zusammenfassend, DM wird autosomal-rezessiv mit unvollständiger Penetranz vererbt. Das bedeutet, dass ein Hund nur erkrankt, wenn er je ein betroffenes Gen von Vater und Mutter erhalten hat. Es müssen also sowohl Vater- als auch Muttertier das mutierte Gen tragen.



Träger, d.h. Tiere mit nur einem betroffenen Gen, können zwar selbst nicht erkranken, geben aber die Erbanlage mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% an ihre Nachkommen weiter. Bei der Verpaarung von zwei Trägern besteht die Gefahr, dass die Nachkommen von der Erkrankung betroffen sind. Deshalb sollte niemals ein Träger mit einem anderen Träger verpaart werden.

RELEVANZ BEIM MALINOIS



Die Degenerative Myelopathie wird vor allen Dingen bei großen Hunderassen gefunden, wobei Hütehunde, in erster Linie der Deutsche Schäferhund im Vordergrund stehen. Darüber hinaus sind der Collie, der Berner-Sennenhund, der Belgische Schäferhund, der Sibirische Husky, der Barsoi, aber auch der Weimaraner und der Rhodesian Ridgeback betroffen. Der Pembroke-Welsh Corgi ist ebenfalls häufig betroffen. (Uni Giesen)

Eine Studie zielte darauf ab, die Allel- und Genotyphäufigkeiten dieser Mutation in einer Gruppe Malinois in Griechenland zu bestimmen.

Es wurden 71% freie, 25% Träger und 4% betroffene Hunde gefunden. Die Häufigkeit heterozygoter (Träger) Tiere weist darauf hin, dass in der getesteten Population ein hohes Risiko für die Entwicklung von DM in kommenden Generationen besteht, da die Paarung unter Trägern zu 25 % betroffenen Nachkommen führen würde.


https://www.uni-giessen.de/fbz/fb10/inst...ive-myelopathie (abgerufen April 2021)
https://www.hovawart-club.de/zuchtgesche...-myelopathie-1/ (abgerufen April 2021)
https://www.schaeferhunde.de/fileadmin/S...Myelopathie.pdf (abgerufen April 2021)
https://www.genomia.cz/de/test/dm/ (abgerufen April 2021)
https://hovawart.ch/Portals/0/Dokumente/...1-02-055855-630 (abgerufen April 2021)

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